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Das Glück des Weltmeisters

Die Welt ist verdammt groß. Groß ist auch der Mann, der im Schatten des MSC-Atriums an einem der Biertische sitzt. Er pausiert gerade. Zwischen zwei Trainerstunden, bei 32°. Darf ich vorstellen: Stefan Heckmanns, ein frischgebackener Weltmeister im Doppel der Herren 50.

Vor Stefan liegt ein strapazierter Terminkalender. Aufgeschlagen. Direkt daneben – ein weiterer Tischkalender. Einer von der Sorte, der uns jeden Tag ein wenig schlauer macht. Tag für Tag reißt Hecky eine Seite ab. Und er hält wirklich Schritt. Der 27. Juni ist gerade dran, mit Sudoku-Gittern, neun-mal-neun, Zahlen und Buchstaben, etwas fürs Gehirn. Im Anschlag der Hand: ein winzig kleiner, weißer Bleistift. Okay, drei Tage hat er verpennt. Jetzt muss er nacharbeiten.

»Ich gratuliere!«, ruf ich und streck ihm meine Hand aus. Der Weltmeister kann das wahrscheinlich nicht mehr hören. Denn die Welt ist bekanntlich groß. Groß ist auch die Hand, mit der er höflich meinen Händedruck erwidert: Meine verschwindet komplett, zweimal umwickelt von seinen kräftigen Fingern. Wie können solche Pranken einen zierlichen Bleistift wie diesen kreisen lassen, frag ich mich. »Danke«, sagt Hecky zurück. Bescheiden ist der Mann, sehr ruhig, nur sein Aufschlag donnert. »Ich hatte einen guten Partner ausgesucht«, so Hecky. Er entschuldigt sich fast als er vom Sieg bei der Weltmeisterschaft erzählt.

Leicht angeschlagen reiste Stefan vor ein paar Wochen nach Frankreich. Er wollte raus aus dem Alltagstrott, rein in die ITF-Weltmeisterschaft. »In der ersten Runde fliegen wir raus«, dachte er sich. Dann hatten Hecky und sein Partner aber Glück: Glück hier, Glück da, Glück im Halbfinale. Ich denk‘ mir: Dem Glück muss man hin und wieder auch helfen, hat mein Vater immer – nicht ganz so bescheiden wie Stefan – gesagt.

Also Halbfinale: gegen zwei Franzosen. In Frankreich. Und jede Menge Franzosen drum herum. Bekanntlich sind sie ja die fairsten Tennis-Zuschauer auf der Welt, wenn zwei Franzosen gegen Aliens spielen. Roland-Garros lässt grüßen. Die Hausherren sind stark besetzt: Auf der Vorhandseite ein ehemaliger Weltmeister im Doppel, 2013, 51 Jahre alt. An seiner Seite spielt ein ehemaliger ATP-Profi, gleich alt. Rein in den zweiten Satz: 5:6, Matchball für die Franzosen. Zweiter Aufschlag: »Ich riskiere einen Mordskick rein, der Return des ATP-Profis bleibt in der Netzkante hängen. Glück gehabt.« Hecky lächelt: »Wir gewinnen den anschließenden Tie-Break – und den Chanpions-Tie-Break gleich hinter her.«… es ist eben das Halbfinale, das den Titel entscheidet.

Wie oft hat er diese Geschichte bereits erzählt, frag ich mich wieder. Sein Gesicht strahlt, seine Augen leuchten. Stolz ist der große Mann. Mit Glück, Bescheidenheit und Verstand. Neun-mal-Neun-Gitter, mit Buchstaben und Zahlen, bei 32° im Schatten. Ein Weltmeister. (red)

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